Kennen Sie den Film «Die schwarze Fee?» Erschüttert hat mich an diesem Film nicht etwa, dass die Fee rachsüchtig ist, sondern dass eine Person, die gar nichts für den Streit zwischen ihr und dem König kann, nämlich die neugeborene Prinzessin, die Tochter des Königs, mit einem Fluch belegt wird. Haben Sie eventuell schon Partei ergriffen? Ist die Schwarze Fee der Bösewicht? Wirklich? Diese Frage ändert alles: «Was ist ihr denn angetan worden, dass sie so rachsüchtig geworden ist?» Tatsächlich hat ihr eben dieser König die Flügel gestohlen. Um König zu werden. Der frühere König wollte nämlich denjenigen mit seiner Nachfolge belohnen, der die Fee zur Strecke bringt. Aha, und jetzt, haben Sie eventuell die Partei gewechselt? Ist also der König der Bösewicht, weil er ihr die Flügel gestohlen hat oder sogar der Vorgänger, der das in Auftrag gegeben hat?

Was ist denn dem König angetan worden, dass er für den Thron bereit war so eine Gräueltat zu begehen? Er war in einem früheren Leben sehr arm, weil der damalige König unbezahlbare Steuern eingeheimst hatte. Und jetzt wollte er die Seiten wechseln und auch einmal ein fulminantes Leben leben. Das wäre nur der gerechte Ausgleich. Verständlich. Aha, dann ist also der König aus der früheren Inkarnation daran Schuld, dass die Prinzessin verflucht wurde.

Aber warum war denn der damalige König so geldhungrig, dass er bereit war, sein Volk so auszubeuten? Na ja, sein Vater hatte das schon gemacht. Schliesslich kann nichts daran falsch sein, wenn sein Vater ihm das vorlebte. Alles klar: Hätte also der Vater des Königs aus der früheren Inkarnation verantwortungsbewusst gehandelt, wäre die arme Prinzessin jetzt, Jahrhunderte später,  nicht mit einem Fluch belegt.

Sich mit Schuldfragen auseinanderzusetzen ist also eine sehr delikate und obsolete Sache. Vielmehr geht es darum zu verstehen, dass die Menschen aus einem schlimmen Schmerz heraus unkontrolliert, kindisch, böse, gehässig etc. handeln. Das entschuldigt ihre Taten in keiner Weise! Es erklärt sie nur und hilft uns, ins Mitgefühl zu gehen und uns von einer muffen Kassierin nicht anstecken zu lassen.

Ich habe das anhand eines Märchens aufgezeigt. Aber dieser Mechanismus findet überall um uns herum statt. Erinnern Sie sich, als der Mann von der Flugsicherung, der den Absturz über dem Bodensee nicht verhindern konnte, umgebracht wurde? Die Tat hat der Vater einer am Flugunglück Verstorbenen begangen, der seinen unbändigen Schmerz nicht kontrollieren konnte.

Und weshalb ist denn unsere Kassierin im Supermarkt so muff? Ihr Mann hört ihr nicht zu und sie leidet, weil sie so sehr gehört und gesehen werden möchte. Weshalb hört er ihr denn nicht zu? Er ist bei der Arbeit unter Druck, kämpft mit seinem Selbstwert, was er sich und schon gar nicht seiner Frau eingestehen würde und ist von Ängsten um die Zukunft eingenommen. Eigentlich möchte er sich nur in seine «Höhle» verziehen. Seine Frau nervt ihn nur noch mit ihrer Bedürftigkeit. Und warum will sie denn unbedingt gehört und gesehen werden von ihm? Sie fühlt sich überfordert mit den Kindern und ohnmächtig. Ausserdem hat sie Probleme mit ihrer Chefin, weil sie nicht freundlich ist zu den Kunden. Etwas Aufmerksamkeit von ihrem Mann würde ihr so gut tun, und ihm würde es so gut tun, wenn sie dafür Verständnis hätte, dass er seine Ruhe will.

So nebenbei zeigt sich hier, wie wir uns und unseren Mitmenschen gegenüber schlicht verpflichtet sind, in aller erster Linie dafür zu sorgen, dass wir selber in einem guten Zustand sind. Ich hoffe, dass der weit verbreitete Mythos, für sich selbst zu sorgen wäre egoistisch, inzwischen der Vergangenheit angehört. Erst wenn wir selber bei Kräften und ein Stück weit heil sind, haben wir Kapazität übrig, uns an andere zu verschenken.

Kreisläufe durchbrechen

Reife Menschen vermögen diese Kreisläufe, wie im Märchen und mit der Kassierin aufgezeigt, zu durchbrechen. Sie fühlen Rachegefühle in sich aufsteigen und agieren sie – im Gegensatz zur Schwarzen Fee ­­­- für sich selber an einem sicheren Ort aus statt gegen andere.

Sie fühlen den brennenden Wunsch in sich den Thron zu besteigen (z.B. Karriere zu machen), bleiben aber ihrem Wert treu – im Gegensatz zum König -, anderen damit nicht zu schaden. Sie sind sogar bereit auf den Thron zu verzichten und andere Wege zu beschreiten, auch wenn es weh tut.

Sie fühlen den Wunsch in sich, ein fulminantes Leben zu führen - was sie sich nicht erklären können, da sie sich nicht an die frühere Inkarnation erinnern können, als sie vom König ausgebeutet wurden -, würden aber für die Erfüllung andere nicht schädigen sondern einen redlichen Weg einschlagen und sich mit weniger zufrieden geben.

Sie würden auch nicht unreflektiert die Handlungen ihrer Väter übernehmen, wie das unser König aus der früheren Inkarnation tat, sondern auswerten, sich eine eigene Meinung bilden und nach ihr handeln.

Scharka Cernochova

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